Von Angst, Gummistiefeln und dem Mut anzufangen.
Quasi von dem Mut, Angst zu haben.
Von Angst, Gummistiefeln und dem Mut anzufangen.
Quasi von dem Mut, Angst zu haben.Valparaiso, Chile, 10.12.16
Ich merke wie ein junger Mann, ungefähr 1,70 groß, an der Beifahrertür meines Mietwagens hantiert um diese zu öffnen während ich von ihm wohl unentdeckt auf dem Fahrersitz sitze. „Get off the f**** Car!“ Rufe ich aus voller Kehle. Während ich in dem gleichen Wagen in der Mittelkonsole seit Tagen ein Päckchen Gras mit mir spazieren fuhr, welches ich von zwei Trampern bekommen hab.(klar nehme ich fremde Leute in meinem Auto mit) Ps. Sie waren im gleichen Hostel wie ich. Zurück zur eigentlichen Situation. Der Mann zog ertappt durch meinen Aufschrei von dannen und ich versuchte mir eine Lücke zwischen den vorbeifahrenden Autos zu ergattern. Gerade hatte ich meinen Kumpel zum Fernbus gebracht. Er fährt heute weiter in den Norden. Also war ich jetzt allein in Südamerika unterwegs. Aber ich hatte keine Angst. Der Typ mit der Brechstange an der Autotür geht ja weg, wenn ich rufe. Und was mach ich eigentlich jetzt mit dem unerwünschten Päckchen in meinem Auto? (Später habe ich es einem Hostelbesitzer geschenkt, der sich riesig drüber gefreut und mir die Übernachtung dafür nicht berechnet hat. Geschichten die das Leben schreibt)
Porto, Portugal 10.03.22
Ich sitze auf einen Boot, welches ordentlich hin und her schwankt. Heute Mittag bin ich nackt in den echt kalten Atlantik gesprungen und habe nach dem Aufwärmen in einem blau gemusterten Kleid in Porto die Ponte Dom Luís I überquert. Die Ponte Dom Luís I ist eine Stahlbrücke die über den Duoro Fluss mitten in Porto führt. Auf zwei Ebenen können Bus,Bahn,Fußgänger und Autos überqueren. Der Blick über die Stadt ist atemberaubend. „Passenger“ hörend spüre ich das vibrieren der vorbei rauschenden S-Bahn an den Fußspitzen kitzeln, während es vor mir 60 m in die Tiefe ging.
Auch hier habe ich keine Angst. Doch ein großer Unterschied ist zwischen den zwei Momenten. Beim ersten habe ich nicht daran gedacht Angst zu haben, beim zweiten mich bewusst dafür entschieden, mich nicht von der Angst beherrschen zu lassen.
Etwas zu starten, dem Schritt aufs Wasser zu wagen, das fiel mir mal leichter. Ich hab nicht an Konsequenzen gedacht.
Das Thema Angst hatte in meinem Leben nicht viel Platz. Obwohl ich schon früh mit Schattenseiten des Lebens zu tun hatte, war ich durch und durch Optimist.
Man denkt Angst ist eine Schwäche, doch um Angst zu haben braucht man ne Menge Stärke. Richtige Angst steckt man nicht einfach weg. Man braucht Mut für Angst.
Sag mal hatte Petrus eigentlich Gummistiefel an, als er zu Jesus aufs Wasser ging? Nein, die gabs noch nicht, würde der Pragmatiker sagen. Aber lass uns doch mal die Füße von Petrus betrachten. Seine Füße wurden nass.
Jetzt denkst du vielleicht: „Wow, Anna das ist ja eine krasse Erkenntnis.“
Aber mal ehrlich ist das nicht die Herkunft von unserer Angst? Angst davor Dinge zu sagen, Entscheidungen zu treffen, Schritte zu gehen.
Die Angst dafür uns mit den Füßen in eine andere Umgebung zu begeben. Selbst wenn wir sicher stehen werden, werden die Wellen ganz willkürlich an unsere Füße schwappen.
Werden es Wellen der Begeisterung sein oder des Anzweifelns?
Hier in meinem Miet-Boot in Porto kann ich nicht abschätzten, wann das Boot in welchem ich sitze, wieder nach oben wippt und die nächste Welle unter mir durchschwappt. Petrus war Fischer, er verstand was von Wellen, Wasser und deren Unberechenbarkeit. Er war Mutig anzufangen und in ein Gebiet zu gehen, welches er theoretisch kannte, doch nun im Glauben ganz neu erkennen und praktisch sehen konnte. Ich denke er hatte ordentlich Schiss, aber noch mehr Mut.
Buonas Aires, Argentinien 24.12.16
Ich sitze am Flughafen und stelle mich für den zweiten Security Check an. Es wurde eine anonyme Bombendrohung für das Flugzeug, welches mich nach Frankfurt fliegen sollte angemeldet. Ich hatte keine Angst. Ich war sicher, alles würde gut werden. Ich tröstete eine junge Studentin die von ihrem Auslandssemester zurück wollte. Ich merke wie ich eine Dankbarkeit darüber bemerke, gerade Hoffnung und Sorglosigkeit weiter geben zu können.
Herrenberg, Deutschland, 19.03.22
Ich sitze auf meinem Sofa und reflektiere meine innere Einstellung zu Sorglosigkeit. Ich habe viel mehr Fragen, als ich je hatte. Aber wahrscheinlich nur weil ich noch nie so eine Sehnsucht nach Antworten hatte. Ich mache mir Sorgen um ziemlich viele Dinge und sehne mich nach Zufriedenheit. Ist Zufriedenheit nicht irgendwo in der Mitte zwischen Mut und Angst?
Ich habe Mut Themen anzusprechen und Angst davor nach dem kritisieren keine bessere Lösung parat zu haben. Aber ich fange jetzt einfach mal an. Während es in den Fußspitzen kitzelt so wie auf der Ponte Dom Luís I und sich Dinge regeln so wie ein unfreiwillig erhaltenes Päckchen Gras eine Hostelnacht bezahlt, will ich genau so wie am Flughafen von Buenos Aires Hoffnung weitergeben. Also erstelle ich eine Website um meine Glaubensfragen zu erklären. Und bei dem Selbstversuch auf authentische Art und Weise meine Gedanken zu ordnen und Glauben offen zu leben ist vermutlich aus Angst, Mut geworden.